Bedeutung und Macht der Manderscheider

In den ersten Jahrhunderten, aus denen sichere Zeugnisse für Familienmitglieder der Manderscheider vorliegen, war der Lebensraum der Familie noch sehr begrenzt. Ihr Besitz lag vor allem um Manderscheid, Oberkail, Wittlich und Klüsserath. Und wenn noch im Jahre 1468 die Halbjahreseinkünfte mit nur 108 Gulden neben den Erträgen aus der Landwirtschaft, die allerdings bedeutender waren, betrugen, dann kann man sich vorstellen, daß die Bekanntschaften, die man besuchen konnte, allenfalls bis zum Rhein, zur Maas, zur Nahe und zum Jülicher Land entfernt wohnten. Und so heiratete man auch in diesem Raum. Und kluge Heiratspolitik machte die Manderscheider bedeutender, ihren Besitz größer. Auf diese Weise erwarb man Rechte an der Burg Daun, den Burgen und Herrschaften Schleiden, Neuenstein und Jünkerath. Da zu jener Zeit sowohl im Schleidener Land wie in Eisenschmitt schon eine beachtliche Eisenindustrie bestand - die Manderscheider hatten an der Entwicklung in Eisenschmitt sogar starken Anteil -, so förderte die gemeinsame Hoheit über Schleiden und Oberkail die Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges. Wissen und Können der Eisengießer konnten ohne Hemmnisse von Süd nach Nord und umgekehrt vermittelt werden.

Der wachsende Wohlstand zeigte sich auch am Stammsitz der Manderscheider. Mauerring um Mauerring wuchs die Burg vom Gipfel herab ins Tal, und 1437 hören wir erstmals, daß selbst die Talsiedlung Niedermanderscheid in die Verteidigungsanlage einbezogen ist. Durch den Mauerring um die Talsiedlung war aber auch der Übergang über die Lieser und damit die Zollstelle fest in der Hand des Burgherren.

Äußeres Zeichen für den Machtzuwachs und die Bedeutung der Man- derscheider war sicherlich auch die Tatsache, daß sie Mitte des 15. Jahrhunderts in den erblichen Grafenstand erhoben wurden. So ist wohl auch zu erklären, daß die beiden Dietrich von Manderscheid im Jahre 1451 an erster Stelle in einem Schutz- und Bündnisbrief der Eifeler Grafen und Herren siegelten. Ihr wichtigster Machtzuwachs kam jedoch erst mit den reichen Herrschaften Blankenheim und Gerolstein, die sich Junggraf Dietrich als Herr zu Schleiden in langwierigen Prozessen und Fehden sicherte, als 1468 Graf Wilhelm von Loen-Blankenheim in einem Gefecht mit Churkölnischen Reitern gefallen und die Herrschaften ohne Erben waren. In den folgenden Zeiten finden wir die Manderscheider in Verbindungen zu allen mächtigen Territorialherren, die rings um die Eifel residierten: Luxemburg, Trier, Churköln. Ihre Macht aber wurde weiter vergrößert, als sie in den Besitz von Neuerburg und Kronenburg kamen, durch Erbschaft Kerpen und Oberwinter erlangten und schließlich auch noch durch Anrechte an der Herrschaft Reckheim an der Maas, an der Kasselburg, an Virneburg selbst und an anderen Orten ihren Einfluß ausweiteten. Mitte des 16. Jahrhunderts standen die Manderscheider in einer Machtfülle, wie sie kein anderes Grafenhaus in der Eifel nachweisen konnte.

 Führte das Anwachsen von Besitz und Macht auch vorübergehend zur Gründung einzelner Familienzweige (Manderscheid-Blankenheim, -Gerolstein, -Schleiden, -Kail), die an verschiedenen Orten residierten, so blieb der Familienzusammenhang doch stets gewahrt. Sicherlich war das auch zu einem Teil darauf zurückzuführen, daß es schon im 16. Jahrhundert in der Grafenfamilie üblich wurde, die Herrschaftsrechte immer nur an einen Erben weiterzugeben, zumeist an den ältesten Sohn. Daraus ergaben sich zwar gelegentlich Streitigteiten, Fehden und gar langwierige Prozesse, im großen und ganzen aber hat die Familie die Zwistigkeiten doch ohne entscheidende Verluste überstehen können.

Die Folge dieses Erbrechtes war aber auch, daß man für die jüngeren Geschwistär eine Bleibe finden mußte, in der sie ein standesgemäßes Leben führen konnten. Das war oft der geistliche Stand. So finden wir Mitglieder des Hauses Manderscheid in den Domkapiteln von Tiier und Köln und in anderen geistlichen Einrichtungen überwiegend des deutschen Sprachraums. Die Domkapitel von Trier und Köln waren vor allem anderen wichtig, weil Einflußmöglichkeiten in diesen sich auch zugunsten der Verwandten in der Grafschaft nutzen ließen. Auch die Klöster wurden in diese Überlegungen einbezogen. Mit Erfolg bemühte sich die Familie zum Beispiel darum, daß der damals noch sehr junge Verwandte Christoph von Manderscheid-Kail im Jahre 1546 Abt des Klosters in Prüm wurde.